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Sina Schottgestorben am 1. September 2020

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Liebe Sina,
heute hat mich über mehrere Ecken die Nachricht erreicht, dass du weiter gegangen bist. Das Wort "gestorben" liegt mir auf der Zunge, aber es zu schreiben und auf dich zu beziehen fällt schwer. Überhaupt: Warum stirbt man eigentlich (aktiv), aber wird (passiv) geboren? Liegt es nicht genauso wenig in unserer Hand, wie wir aus dem Leben gehen, wie, wie wir in das Leben fallen?

Liebe Sina, ich weiß nichts von dir. Ich weiß nicht, was du in den letzten Jahren getan und geliebt hast oder wo du gelebt hast. Ich kenne dich nicht wirklich. Aber heute denke ich sehr fest an dich. Ich versuche mir dein Gesicht vorzustellen, aber die Schulzeit ist so lang vergangen und die gestaltlichen Erinnerungen verwischen. Wir waren nie beste Freundinnen, aber in meiner Erinnerung habe ich dich als freundliche offen aufgeschlossene Person geschätzt. Unsere Schnittstelle war das Interesse für Tierethik. Waren wir nicht damals mit 15 auf einer Anti-Pelz-Demo? Würde ich dich heute treffen, würde ich mir wünschen, dass wir keinen Small-Talk halten und uns darüber austauschen, welche Ausbildungswege wir beschritten haben. Ich würde mir wünschen, dass wir an die Schnittstelle von damals anknüpfen und darüber sprechen, wie Menschen für respektvollen Umgang mit Tieren sensibilisiert werden können.
Liebe Sina, ich denke heute an dich und die Gedanken an dich werfen mich aus dem Alltag heraus. Plötzlich ist gegenwärtig, was meist im Verdrängen zurückbleibt. Ich kenne niemanden aus meiner Schulzeit, meiner Jugend, der oder die bereits weiter gegangen ist. Ein Teil von mir möchte fragen: Warum du? Und ein anderer Teil weiß, dass die Beantwortung solcher Fragen nicht in meiner Hand liegt. Und ein weiterer Teil hofft, dass du das auch wusstest und dass dich das Hadern nicht auf deinem Weg ins weiter zermürbt und dir die Kraft geraubt hat.
Ich weiß nichts über dein Leben in den letzten Jahren. Ich wünsche mir, dass du erfüllt warst von deinen Taten, dass du liebe Menschen um dich hattest, dass du so gelebt hast wie du es vom Leben erwartest hast. Ich wünsche mir, dass du, als du wusstest, dass du vielleicht weiter gehst, keine Angst hattest. Ich erinnere mich, dass dein Vater starb, als du klein warst und ich erinnere mich, dass du zu Schulzeiten einen (weißen und struppigen?) Hund hattest, der dein Alles war. Ich wünsche mir, dass du, als du wusstest, dass du vielleicht weiter gehst, an sie gedacht hast, und, dass es ihr Bild war, mit welchem vor Augen du weiter gegangen bist.
Liebe Sina, ich werd auch morgen an dich denken und, wenn ich einen weißen struppigen Hund sehe. Vielleicht sehen wir uns woanders.
Lisa


Liebe Angehörige, wenn ich mental eine Portion Energie und Zuwendung verschicken könnte, dann würde ich das tun. Ich wünsche Euch alle nötige Kraft.